Adidas-Trikot in Pink: DFB-Design überzeugt nach sh*tstorm (2024)

Das schrille Auswärts-Trikot sei derzeit genauso erfolgreich wie das Heimspiel-Jersey, sagt Nick Craggs. Im Gespräch erzählt der Chef der Fussballsparte von Adidas, wie das Design entstand. Stolz ist er auch auf den Hightech-Spielball, der Cristiano Ronaldo bei der WM in Katar einer Flunkerei überführte.

Michael Rasch, Herzogenaurach

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Auf den ersten Blick waren viele Fussballfans geschockt, der sh*tstorm folgte umgehend: ein Auswärts-Trikot in Pink und Lila für die deutsche Fussballnationalmannschaft. Das hatte es noch nicht gegeben. Frühere Auswärts-Jerseys waren eher gedeckt – oft grün, schwarz oder schwarz-rot. Das neue Trikot schreit einen dagegen förmlich an.

In der Sprache des Herstellers Adidas ein Eyecatcher. «Ja, das pink-lilane Trikot war ein Risiko», sagt Nick Craggs im Gespräch. «Im Geschäftsleben muss man eben manchmal Risiken eingehen», ergänzt der Leiter der Fussballsparte bei Adidas, «sonst gäbe es keine Weiterentwicklung, zum Beispiel für ansprechende Designs.»

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DFB gab grünes Licht für das Design

Das Risiko hat sich für Craggs, den Sportartikelkonzern sowie den Deutschen Fussball-Bund (DFB) gelohnt. Das Trikot verkauft sich bestens. Viele Menschen mochten das Shirt mit den offiziellen Farbnamen «Semi Lucid Fuchsia» und «Team Colleg Purple» offenbar spätestens auf den zweiten Blick. Genaue Zahlen zu den Verkäufen gibt Adidas traditionell nicht preis. Craggs verrät aber: «Das Trikot verkauft sich viel besser als frühere Auswärts-Trikots für Europa- oder Weltmeisterschaften. Es ist derzeit genauso erfolgreich wie das Heimspiel-Jersey.» Beim Heim-Trikot hat Adidas dagegen keine Experimente gemacht. Es ist ganz in Weiss gehalten mit wenigen schwarzen Elementen.

Die Designs für Jerseys von Fussball-Nationalmannschaften kreiert der Konzern stets in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Verband. «Wir haben klare Vorstellungen davon, welche Funktionen Heim- und Auswärts-Trikots haben», sagt der Brite. Das Heim-Trikot sei tendenziell für den stolzen Super-Fan gemacht, der eine moderne Interpretation der Nationalfarben und des nationalen Stils im Trikot vereint wissen wolle. Beim Auswärts-Trikot versuche man hingegen die Anmutung stärker auf jüngere Konsumenten zuzuschneiden. Die ersten Ideen würden dann mit den Verbänden diskutiert, die natürlich ihre eigenen Vorstellungen für das Design einbringen könnten.

Die Vorschläge der Designer, die bereits auf Gesprächen mit deutschen Jugendlichen basieren, werden dann mit Zielgruppentests bei den Konsumenten überprüft. «Der Verband hatte uns grünes Licht gegeben, dass wir mit dem Auswärts-Trikot durchaus ein progressives Design umsetzen können», sagt Craggs. Die Wahl der ungewöhnlichen Farben, die auch gut zu Pride-Paraden der Lesben- und Schwulenbewegung passen würden, mag überraschen, weil die bunte Regenbogen-Kapitänsbinde, welche die DFB-Elf bei der WM in Katar unbedingt hatte als Mahnung an die Einheimischen verwenden wollen, zum Eklat geführt und das Team abgelenkt hatte.

Da es für Trikot-Designs einen Vorlauf von gut zwei Jahren braucht, starteten die Kreativen den Prozess für das pinkfarbene Trikot bereits vor der WM in Katar und den Diskussionen um die Regenbogen-Binde. Insofern hatte das damalige Debakel wohl keinen Einfluss auf die Wahl des Designs des jetzigen Auswärts-Trikots.

Derzeit denkt man bei Adidas schon längst an das nächste Turnier. «Ich habe gerade die ersten Designs für die Weltmeisterschaft in Kanada, den USA und Mexiko im Jahr 2026 gesehen», sagt Craggs. Jahre mit einer EM oder WM sind für die Fussballsparte geschäftlich sehr wichtig. Das gilt insofern besonders, als Fussball die Kernsportart des Konzerns ist.

Adidas macht Prognosen über den Turnierverlauf

Das Design ist für den Verkauf von Trikots aber nur einer von mehreren Faktoren. Die Anmutung sei schon bedeutend, es sei aber ebenfalls sehr wichtig, wie erfolgreich eine Mannschaft spiele und wie weit sie im Turnier komme, erklärt Craggs. Zur Planung der Produktionszahlen macht Adidas selbst Prognosen, wie weit sich eine Mannschaft in Richtung Finale vorkämpfen könnte. Bei der Euro 2024 spielen neben der deutschen Elf auch die Teams von Belgien, Italien, Schottland, Spanien und Ungarn in Adidas-Leibchen.

Der wichtigste Konkurrent Nike stattet sogar neun Teams mit Jerseys aus. Die Schweizer Nationalmannschaft spielt wieder in Trikots von Puma, dem lokalen Konkurrenten aus Herzogenaurach. Das Heim-Trikot ist traditionell so rot wie die Landesflagge, das Auswärts-Trikot ganz in Weiss gehalten.

Die Planung der Produktionskapazitäten ist für Sportkonzerne ein wichtiger Faktor. Denn die meist aus Asien kommenden Trikots können nicht schnell nachproduziert werden, wenn zum Beispiel ein Team überraschend weit kommt und dadurch eine Euphorie im Heimatland auslöst. Ein weiterer Faktor für den Verkauf ist das Wetter. Während des «Sommermärchens» bei der WM 2006 in Deutschland heizten die hohen Temperaturen und Open-Air-Fanzonen auch den Trikot-Verkauf an, während die Winter-WM in Katar deutlich weniger geeignet für einen hohen Trikot-Absatz war. Zudem verkaufen sich Trikots nicht in jedem Land gleich gut. In Italien ist der Jersey-Absatz traditionell geringer als in vergleichbaren anderen Ländern.

Beim Sponsoring von Nationalmannschaften müssen Konzerne wie Nike, Adidas, Puma, Hummel, Joma und andere stets die Kosten gegen die prognostizierten Verkaufseinnahmen und den potenziellen Image-Gewinn abwägen. «Für uns ist das immer eine Portfolio-Diskussion», sagt Craggs. Wir schauen uns auf der Welt um und suchen Partner, die zu uns passen und mit denen wir gerne zusammenarbeiten würden.

Am Ende seien drei Kriterien wichtig: erstens die direkten Verkäufe. Zweitens der generelle Einfluss auf die Marke sowie die Bedeutung des Landes im Fussballgeschäft. Manche Länder hätten zum Beispiel einen globalen Einfluss, etwa Argentinien, Deutschland, Italien oder Spanien, während andere Länder eher lokale oder regionale Auswirkungen auf die Marke hätten. Auch das noch bestehende Marktpotenzial für Adidas in einem Land spiele eine Rolle. Drittens gebe es den sogenannten Halo-Effekt, durch den auch andere Produkte der Marke in den Fokus des Konsumenten rücken.

Nike spannte Adidas die DFB-Elf aus

Die führenden Sportartikelkonzerne werben fortwährend um die Top-Teams. Für Adidas war es daher sicherlich sehr schmerzlich, dass Erzkonkurrent Nike im Kampf um den DFB im Frühjahr 2023 siegreich war. Im März hatte der Verband mitgeteilt, die seit 1950 bestehende Partnerschaft mit Adidas zugunsten von Nike in zwei Jahren zu beenden.

Beim Sponsoring gibt es aus Sicht der Sportkonzerne allerdings keine klare Gewinnschwelle, ab der sich das Engagement lohnt. Vielmehr besteht eine Preisspanne, in der man sich bei Verhandlungen mit einem Verband oder Klub bewegt. Die Verbände wollen zwar eine gute Partnerschaft, zugleich aber auch die Einnahmen maximieren. Das galt auch für den DFB.

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Das Angebot von Nike war dem Vernehmen nach so hoch, dass es der Verband nicht ausschlagen konnte. Zugleich lag die finanzielle Schmerzgrenze für Nike offenbar deutlich höher als für Adidas. Craggs meint dazu: «Wir evaluieren immer den Wert jedes einzelnen Partners. Wenn dieser aus Sicht eines Konkurrenten für uns unerklärbar hoch ist, müssen wir auch nicht enttäuscht sein, wenn wir den Zuschlag nicht bekommen.»

Für die Konzerne ist dieses Jahr nicht nur die Euro 2024 wichtig, sondern auch die Copa America, das amerikanische Pendant zur Fussball-EM. Die südamerikanischen Fans seien unglaublich leidenschaftlich. Im Hinblick auf das Geschäft sei die Copa America aber etwas weniger umsatzträchtig für Adidas als die EM. Der Konzern gebe daher mehr Geld für das Marketing rund um das europäische Turnier aus. Doch auch der Einsatz für die Copa America sei höher als je zuvor.

Die Turniere sind für die Konzerne immer gute Plattformen, um einerseits Modetrends zu identifizieren und andererseits Innovationen zu präsentieren, sei es bei Trikots, Schuhen oder auch mit dem Ball. Die Events dienen damit als Showcase für die kommenden Jahre.

Moderne Bälle haben elektronischen Herzschlag

Der Spielball für Welt- und Europameisterschaften kommt seit Jahren von Adidas, während in der Fussball-Bundesliga mit Bällen von Derby Star gekickt wird. Seit der WM in Katar ist im Ball ein Sensor enthalten, mit dem sich jede Erschütterung messen und jede Position auf dem Spielfeld exakt bestimmen lässt. «Der Ball erzeugt eine Linie mit Ausschlägen, wie ein EKG», sagt Hannes Schaefke, der bei Adidas das Innovationsteam für Fussball leitet. Der Sensor sei sinnbildlich das Herz des Balls, und die Ausschläge seien der Herzschlag.

An dieser Technologie hatte Adidas rund zehn Jahre gearbeitet. Der Hightech-Ball wurde anschliessend bei der Frauen-WM und der Klub-WM für Vereine verwendet. Bei der Euro 2024 kommt er nun zum vierten Mal zum Einsatz. «Die Herausforderung für uns war, den Sensor zu integrieren, ohne dass die traditionellen Eigenschaften des Balls wie Flugstabilität und Schnelligkeit auch nur minimal beeinträchtigt werden», erklärt Schaefke.

Das war nicht leicht, denn im Innern sorgt eine ausgefeilte Aufhängung dafür, dass sich der Sensor auch unter grössten Belastungen nicht bewegt. Bei einem Schuss oder Kopfball verformt sich ein Ball typischerweise enorm, was der Zuschauer aber nur in Superzeitlupen sehen kann. Die Spieler würden inzwischen keinen Unterschied mehr zwischen einem Ball mit und einem ohne Sensor bemerken, wie Tests von Adidas etwa bei Bayern München und Real Madrid ergeben hätten.

Der Sensor hilft den Schiedsrichtern. Beispielsweise lässt sich durch die Technik genau feststellen, in welcher Millisekunde ein Ball gespielt wurde, was zum Ziehen der Abseitslinie beim Videobeweis von entscheidender Bedeutung sein kann. Für Furore sorgte der Hightech-Ball schon bei der WM in Katar. Als im Spiel gegen Uruguay eine Flanke der Portugiesen ins Tor segelte, war nicht klar, ob Cristiano Ronaldo den Ball noch – wie von ihm vehement behauptet – mit dem Kopf berührt hatte. Adidas konnte mit Hilfe des Sensors nachweisen, dass der Superstar den Ball nicht touchiert hatte, weil der Sensor in der Sekunde keinerlei Erschütterung registriert hatte.

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Trikot-Nummer 44 erinnerte an SS-Runen der Nazis

«Fussball liegt derzeit weltweit sehr im Trend», sagt Nick Craggs. «Die Euro 2024 und die Copa America werden diesen Trend noch verstärken.» Das will Adidas nutzen, denn für den Konzern eröffnet das gute Geschäftschancen bei Trikots, Schuhen und Bällen.

Manchmal gibt es jedoch unangenehme Überraschungen, etwa bei der Schriftart: Während die Ziffer vier auf den neuen Trikots der deutschen Nationalmannschaft allein nicht auffällig war, erinnerte die – vom DFB allerdings nicht verwendete – Nummer 44 frappierend an SS-Runen der Nationalsozialisten, weshalb sich Trikots mit dieser Zahl in einschlägigen Kreisen offenbar grosser Beliebtheit erfreuten. Adidas hatte nach Aufdeckung des Missstands entsprechende Bestellungen im Online-Shop umgehend storniert und die Zahl im System gesperrt.

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